Lesedauer: 5 Minuten | Autorin: Jule

Die Praxis des Küken-Tötens verstößt gegen das Tierschutzgesetz! So lautete das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts am 13.06.2019. Die in der Legehennenzucht gängige Praxis, bei der Küken vergast und im Schredder getötet werden, widerspricht dem im Jahr 2002 verabschiedeten Tierschutzgesetz.

Wurde damit also ein historisches Urteil gefällt, das diese grausame Praxis endlich beendet?

Zu früh gefreut, der Urteilsbeschluss ist leider kein Grund zur Euphorie, sondern sorgt größtenteils für Unverständnis. Obwohl aus dem Urteil des BverwG klar hervorgeht, dass wirtschaftliche Interessen keinen vernünftigen Grund für das Töten der Küken darstellen dürfen, zieht das Urteil für die ausführenden Betriebe keine Konsequenzen nach sich. Begründung: Den Betrieben sei es nicht zuzumuten, ihre Abläufe sofort umzustellen oder für die Aufzucht tausender männlicher Küken aufkommen zu müssen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen würden das Schreddern derzeit unvermeidbar machen, heißt es. Mit anderen Worten: Einmal mehr zählen wirtschaftliche Interessen mehr als das Wohl von Millionen Lebewesen. Einmal mehr beweist dieses Urteil, dass es wohl noch ewig dauern wird, bis Tiere wirklich vom Tierschutzgesetz profitieren können, geschweigedenn ihnen angemessene Rechte zuteil werden.

Schon 2013 wurde das Küken-Töten in NRW verboten, zumindest auf dem Papier – allerdings nur solange, bis betroffene Betriebe klagten und 2016 Recht bekamen; Es vergingen drei weitere Jahre. Drei weitere Jahre also, in denen 135 bis 140 Millionen Küken getötet worden sind. Nun schreiben wir das Jahr 2019 und seit dem ersten ernstzunehmenden Versuch, ein Verbot zu erwirken, sind erneut drei Jahre vergangen. Weitere drei Jahre, in denen sich diese erschreckend hohe Zahl verdoppelt hat auf 280 Millionen Küken, die trotz Bemühungen innerhalb der Bevölkerung und der Politik den „wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ zum Opfer gefallen sind.

Weiter wie bisher – und sogar noch mehr

So groß die Empörung darüber auch ist – an den Verkaufszahlen von Eiern und Eiprodukten ändert das seit Jahren recht wenig – im Gegenteil. Seit 2010 steigt die Zahl des Eiverbrauchs und erreicht neue Höchstwerte:

Der Nahrungsverbrauch in Deutschland hat 2018 mit rund 19,5 Milliarden Eiern einen absoluten Höchstwert erreicht und der Pro-Kopf-Verbrauch ist auf 235 Eier gestiegen (Vorjahr 230 Eier).

(BLE: Bericht zur Markt- und Versorgungslage Eier 2018 )

Und dabei kann Deutschland seinen Inlandsbedarf an Eiern nicht mal aus eigener Produktion decken! So müssen zusätzliche Eier importiert werden. 2017 kamen 20 % der verkauften Eier aus dem Ausland (meist Niederlande, Italien oder Dänemark).

Wenn man jemanden fragen würde, wann er oder sie zuletzt ein Ei gegessen hat, würde diese Person bestimmt zuerst an das letzte Frühstücksei oder Omelett zurückdenken. Aber vielleicht gab es ja unterwegs auch schon einen Nachtisch beim Bäcker oder zum Mittag ein Fertiggericht, weil es schnell gehen musste? Viele verarbeitete Produkte enthalten Eipulver, Eiklar oder Hühnereiweiß. Damit haben sie ebenso ihren Anteil an der Ei-Industrie und der Tötungspraktik, sind aber viel besser getarnt in bunten Verpackungen und langen Zutatenlisten.

Da die Nachfrage nach Fertigprodukten steigt, viele Leute häufiger auswärts essen und auch der vegetarische Lebensmittelmarkt wächst, haben eihaltige Produkte mittlerweile einen Anteil von 40-50 % am gesamten Eiverbrauch in Deutschland. Auch wenn der genaue Pro-Kopf-Verzehr statistisch schwer zu fassen ist, dürfte klar geworden sein, dass das Leid der Küken und Legehennen in weit mehr Produktkategorien hineinreicht, als nur in die Schalenei-Abteilung. Demnach wird es keine Seltenheit sein, dass jemand, der zwar beim Kauf des Frühstücks-Eis auf Bio- oder Freilandhaltung achtet, in Fertiggerichten, Nudeln oder Gebäck eine Haltungsform unterstützt, die er/sie prinzipiell ablehnt. Denn gerade in den verarbeiteten Produkten werden Eier aus Kleingruppenhaltung oder Bodenhaltung [1] verwendet. Eine verpflichtende Kennzeichnung für die Herkunft der Eier in diesen Produkten gibt es bisher nicht.

Was sagt es uns also, dass zwar eine Welle der Empörung durch Deutschland geht, sobald das Bundesverwaltungsgericht das Küken-Töten in der Legehennenzucht weiterhin gestattet – aber gleichzeitig mehr Eiprodukte denn je gegessen werden? Wird noch nicht genügend Aufklärung betrieben? Gerät das Leid der Tiere immer wieder so schnell in Vergessenheit? Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Orientierung fehlt, welche Lebensmittel ohne Ei auskommen, aber auch geschmacklich punkten können? Sitzen die Verhaltensmuster so tief, dass sie die Betroffenheit über dieses Leid der Küken und Legehennen regelmäßig vergessen lassen?

Tipps für den nächsten (N)ei(n)kauf

Während von Seiten der Rechtssprechung weiterhin auf klare Signale für die praktische Umsetzung des Tierschutzes zu warten ist, können wir selbstbestimmt für mehr Tierschutz sorgen, indem wir unser Kaufverhalten überdenken und genau unter die Lupe nehmen, was im Wagen landet. Kleine Änderungen können viel bewirken und den nächsten Einkauf eifrei(er) gestalten:

Im Veggie-Kühlregal bewusst nicht die vegetarischen, sondern die veganen Lebensmittel wählen, bei Keksen nach Varianten ohne Ei suchen, Nudeln aus 100 % Hartweizengrieß einpacken, die Frühstücks-Pancakes nur mit Backpulver anrühren, vegane Rezepte für einen Kuchen oder für Muffins ausprobieren!

Das Internet ist wirklich voll von Einkaufs-Guides, Produkttipps oder Rezepten. Nutzt diese Möglichkeiten, sorgt dafür, dass wir als aufgeklärte Gesellschaft unseren Werten entsprechend handeln und dass sich die konsequente Verurteilung des Küken-Tötens auch in unserem Konsumverhalten niederschlägt.


[1] Obwohl die Stufung in drei beziehungsweise mit Bio vier verschiedene Haltungsstufen eine Orientierung darüber geben soll, wie die Tiere gelebt haben, existiert mittlerweile ausreichend Bildmaterial, das jeder Haltungsform eine mangelnde Beachtung der Grundbedürfnisse der Tiere attestiert. Hier wird auf die Haltungsformen näher eingegangen.


1 Kommentar

DerdessenNamenichtgenanntwerdendarf · 14. Juni 2019 um 20:37

Danke für diesen guten Text! Ich hoffe, dass der stetige Apell an alle Konsument*innen, das Einkaufsverhalten nach den eigenen ethischen Grundpfeilern auszurichten, irgendwann Früchte trägt. Die Mehrheit der Bevölkerung ist es schließlich (eigentlich) Leid zu wissen, dass man selbst für diese ganzen Grausamkeiten „verantwortlich“ ist.

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